
09/08/2021
Anno dazumal (Folge 64): Als Torwartlegende Sepp Maier in Bliesmengen-Bolchen die Zuschauer begeisterte
Obwohl seine Karriere schon seit Jahrzehnten beendet ist, können sich auch heute noch viele an die deutsche Torwartlegende Sepp Maier erinnern.
Mit 699 Pflichtspielen ist er bis heute der wohl uneinholbare Rekordspieler des FC Bayern München, für den er 17 Jahre lang nahezu ununterbrochen auflief.
In seiner aktiven Zeit war er einer der besten Torhüter der Welt und trug den Spitznamen „Die Katze von Anzing“. Daran werden sich viele gerne erinnern.
Wussten Sie aber auch, dass der Welt- und Europameister zu seiner aktiven Zeit im Jahr 1977 zu Gast bei uns in Mandelbachtal war und sich in Bliesmengen-Bolchen gleich mehrere begeisternde Tennismatches lieferte? Davon und wie dies zustande kam, wollen wir Ihnen heute berichten.
Der kleine Josef Dieter Maier wurde am 28. Februar 1944 in Metten in Niederbayern als zweiter von drei Söhnen des Ehepaars Josef und Maria Maier geboren.
Schon 1946 zog die Familie in das oberbayerische Haar bei München, wo er die Volksschule besuchte und 1958 auch eine Lehre als Maschinenschlosser absolvierte.
In der B-Jugend des TSV Haar spielte der junge „Sepp“, wie er von klein auf genannt wurde, zunächst Mittelstürmer und empfand es jedes Mal als Schmach, wenn er mal im Tor stehen musste. Im Training ging er aber manchmal zum Spaß zwischen die Pfosten.
Als er dann nach einer Verletzung des Stammtorhüters bei einem Pokalspiel im Tor aushelfen musste, machte er dort seine Sache so gut, dass er fortan im Tor blieb und schon kurz darauf sogar für die oberbayerische Jugendauswahl nominiert wurde.
Hier wurden Späher vom FC Bayern München auf das Talent aufmerksam und verpflichteten ihn 1958 für die A-Jugend.
Schon 1962 wurde Maier bei den Bayern Vertragsspieler, ab der ersten Regionalliga-Saison 1963/64 hütete er das Tor und verließ es die nachfolgenden 14 Jahre nicht mehr.
1965 stieg Maier mit dem FC Bayern München in die Bundesliga auf und wurde dort viermal (1969, 1972, 1973 und 1974) Deutscher Meister.
Außerdem gewann er viermal (1966, 1967, 1969 und 1971) den DFB-Pokal und 1967 den Europapokal der Pokalsieger.
Maier galt als eine der zentralen Figuren der Mannschaft des FC Bayern München, die in den siebziger Jahren auf internationaler Ebene dominierte und von 1974 bis 1976 gleich dreimal hintereinander den Europapokal der Landesmeister, den Vorläufer der heutige Champions League, gewann.
1976 wurde er mit den Bayern Weltpokalsieger. Sepp Maier selbst wurde in den Jahren 1975, 1977 und 1978 zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt.
Große Erfolge feierte Sepp Maier in 95 Länderspielen auch mit der Deutschen Nationalmannschaft. So wurde er Weltmeister (1974) und Europameister (1972), zuvor Zweiter und Dritter bei den Weltmeisterschaften 1966 und 1970 und Vize-Europameister 1976.
Doch nicht nur seine Erfolge, sondern auch sein Sinn für Humor und sein Showtalent machten Sepp Maier bei den Deutschen sehr beliebt.
Bei Empfängen nach Länderspielen soll Maier gerne auch mal die Schuhbänder der Gäste unter dem Tisch zusammengebunden haben. Seine Streiche waren bei seinen Fußballer-Kollegen ebenso legendär wie gefürchtet.
Maier war sicherlich einer der lustigsten Spieler, den die Bundesliga je gesehen hat. Im Winter baute er auf dem Platz Iglus und im Frühling pflanzte er in seinem Tor Osterglocken an, versehen mit einem kleinen Hinweisschild: "Bitte nicht knicken!"
Eines seiner Hobbys war damals das Zaubern, weshalb er im Kofferraum seines Autos immer seine kompletten Magier-Utensilien liegen hatte, um sie im geeigneten Moment zur Verfügung zu haben um anderen eine Freude zu bereiten.
Nach dem Wechsel Franz Beckenbauers zu Cosmos New York im Sommer 1977 wurde Sepp Maier sein Nachfolger als Mannschaftskapitän des FC Bayern München.
In diesem Jahr spielten die Bayern gleich drei Mal gegen den 1. FC Saarbrücken, der 1976 in die 1. Bundesliga aufgestiegen war.
Allerdings für die Bayern mit eher mäßigem Erfolg, denn von den drei Partien sollten die Saarländer gleich zweimal siegreich den Platz verlassen.
Legendär ist bis heute der überraschende 6:1-Kantersieg der Malstätter gegen die Bayern am 16. April 1977 vor 39.000 Zuschauern im ausverkauften Ludwigsparkstadion, der wesentlich dazu beitrug, dass die Saarbrücker in diesem Jahr die Klasse halten konnten.
Die kurz darauffolgende erste Runde des DFB-Pokals entschied dann allerdings im Münchner Olympiastadion wieder die bayerischen Elf um Sepp Maier mit 2:1 für sich.
Aber schon am 17. September 1977 sollte es im Ludwigsparkstadion zu einem weiteren Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften aus der bayrischen und der saarländischen Landeshauptstadt kommen.
Mit großem Kampfgeist konnte der 1. FCS zur großen Freude der einheimischen Zuschauer auch dieses spannende Bundesligaspiel gegen die von Sepp Maier angeführten Bayern mit 3:1 für sich entscheiden.
An jenem Samstag gab es aber auch aus Bliesmengen-Bolchen Erfreuliches zu berichten. An diesem Wochenende wurde „in der Au“ mit einem großen Fest die neue Sportanlage des erst kurz zuvor gegründeten Tennisclubs „Grün-weiß“ Bliesmengen-Bolchen eröffnet.
Auf einem Bauschuttabladeplatz an den Pappeln war von den Vereinsmitgliedern in monatelanger Eigenleistung eine bis heute sehenswerte Tennisanlage entstanden.
Auch die Gemeinde Mandelbachtal und der Saarpfalz-Kreis hatten einen Beitrag dazu geleistet. Während die Gemeinde sich um die Verlegung der Versorgungsleitungen gekümmert hatte, leistete der Kreis bei den Einebnungsarbeiten seinen Anteil.
Für die Gemeinde Mandelbachtal und den Ortsteil Bliesmengen-Bolchen entstand so ein schönes Sportgelände, welches damals noch drei Spielplätze umfasste.
Vom 17. bis 19. September 1977 wurde nun der harten Arbeit Lohn gebührend gefeiert und an drei Tagen eine Vielzahl von ansprechenden Tennisspielen auf den drei neuen Plätzen absolviert.
Als absoluten Höhepunkt der Feierlichkeiten, hatte sich der Vorstand um den damaligen Vorsitzende des Vereins Gert Sommer aber etwas ganz Besonderes einfallen lassen.
Als besonderen Gast konnte man, sie können es sich denken, den überaus populären Nationaltorwart Sepp Maier, gewinnen.
Dieser war nach dem Spiel seiner Bayern in Saarbrücken noch eine weitere Nacht geblieben, um am Sonntag für zwei Tennisspiele auf der neuen Anlage zur Verfügung zu stehen.
Obgleich Maier in jenen Tagen ein absoluter Weltstar war, verdienten Berufsfußballer in den Siebziger Jahren nicht annähernd solch fantastische Gehälter, wie man es heute kennt.
Deshalb war es damals nicht unüblich, dass sich Fußballer über Autorgrammstunden oder sonstige Veranstaltungen noch etwas dazu verdienten.
Gerne hatte der passionierte Tennisspieler Maier deshalb die Einladung aus Bliesmengen-Bolchen für zwei Matches gegen ein Honorar angenommen.
Die Nachricht von seinem Kommen breitete sich dann in den Wochen vor dem Eröffnungsfest wie ein Lauffeuer aus und so setzte an jenem Sonntagmorgen eine wahre Völkerwanderung nach Bliesmengen-Bolchen auf den Tennisplatz ein.
Etwa tausend Menschen nahmen auf der extra zu diesem Anlass neben den Tennisplätzen gebauten Tribüne Platz oder fanden sich rund um die Anlage ein, um den besonderen Besuch live mitzuerleben.
Vereinsmitglied Günter Vogelgesang fuhr an jenem Sonntagvormittag eigens in Maiers Hotel nach Saarbrücken, um den prominenten Gast aus München nach Bliesmengen-Bolchen zu begleiten.
In jener Zeit gab es ja noch keine Navigationsgeräte und der Sportler sollte sicher von der Saar an die Blies geleitet werden, wo er bereits sehnlichst erwartet wurde.
Als der Fußballstar dann seinen schnittigen Jaguar auf das Tennisgelände lenkte‚ wurde er schon auf dem Parkplatz von den Umstehenden mit großem Beifall empfangen.
Über die Lautsprecheranlage begrüßte Vorsitzender Gert Sommer im Festzelt den Münchner als „Sportler des Jahres 1977", „Nationaltorwart“ und. „Welt- und Europameister" unter stürmischem Applaus.
Maier ließ die zahlreichen angereisten Zuschauer nicht mehr länger warten und trat schon kurz nach seiner Ankunft zu einem ersten Demonstrationsspiel an.
Dabei bewies er, dass er nicht nur ein ausgezeichneter Torsteher, sondern auch ein perfekter Tennisspieler war.
Es war ein Tennismatch, das sicherlich auch wegen der vielen komödiantischen Einlagen Maiers den zahlreichen Zuschauern in bester Erinnerung geblieben sein dürfte.
Denn bei Sepp Maier stand an diesem Tag der Spaß im Vordergrund und mit seinen verrückten Einfällen und Kommentaren brachte er die Zuschauer immer wieder zum Lachen.
So gefiel er sich ab und zu darin, die Tennisbälle nach Fußballermanier mit dem Kopf zurückzuschlagen, funktionierte seinen Tennisschläger zu einer Gitarre um und meinte nach mehreren "Aus": "Der Platz ist einfach zu kurz!"
"Ein Unikum dieser Sepp Maier!" amüsierte sich eine der Zuschauerinnen prächtig.
In dem erwähnten Herren-Einzel konnte Sepp Maier den Präsidenten des Tennis - Verbandes Rheinland-Pfalz-Saar, Dr. Helmut Steigleiter mit 6:7, 6:3 und 7:5 schlagen.
Ursprünglich waren nur zwei Sätze vereinbart worden, aber der untadelige Sportsmann Maier wünschte sich zur Entscheidung einen dritten Satz und sein „Gegenspieler“ machte mit.
Am Ende verlor Steigleiter auch diesen dritten Satz und damit das Spiel und musste an Maier die von ihm zuvor für einen Sieg ausgelobte Kiste Champagner überreichen.
Zu dem anschließenden Doppelspiel hatte Sepp Maier seinen Manager und Tennispartner Rainer Bley aus München mitgebracht.
Gegen die beiden Tennislehrer des TCB, Funk und Müller aus Saarbrücken, gab es nach einem 6:3 im ersten Satz im zweiten noch im Tie-break ein 7:6 für die beiden Vertreter der Fußballbranche, die damit auch dieses Spiel für sich entscheiden konnten.
Nach seinen beiden Siegen nahm sich Maier noch viel Zeit für eine Autogrammstunde, die nicht nur bei der Dorfjugend auf großes Interesse stieß.
Im Anschluss an Maiers Auftritt auf dem Tennisplatz kamen dann aber sogar noch die Fußballer des benachbarten Sportvereins auf ihre Kosten.
Der damalige Vorsitzende des SVB Günter Klingler hatte die sich bietende Gelegenheit kurzerhand beim Schopfe gepackt.
Er bat den prominenten Gast beim Verlassen der Umkleidekabine auf dem Tennisgelände, das an jenem Sonntag anstehende Meisterschaftsspiel der Kreisklasse B des SV Bliesmengen-Bolchen gegen den FC Erfweiler-Ehlingen zu eröffnen.
Sepp Maier fackelte nicht lang und stimmte kurzerhand zu, der Schiedsrichter anschließend ebenfalls.
Günther Klingler überreichte dem Nationaltorhüter schon kurz darauf auf dem benachbarten Sportplatz einen Vereinswimpel des Sportvereins und Sepp Maier eröffnete die Begegnung mit einem feuerroten Ball, den der damalige Minister Dr. Berthold Budel gestiftet hatte.
Nachdem der Fußballprofi den beiden Amateurmannschaften viel Erfolg gewünscht hatte, verließ er unter dem lauten Beifall der zahlreichen Zuschauer des Lokalderbys das Spielfeld. Dabei lief er aber geradewegs dem Menger Platzkassierer Siggi Scheid in die Hände.
"Hat der Herr Maier denn schon sein Eintrittsgeld bezahlt?", fragte dieser scherzhaft. Maier verneinte, zückte aber sofort seine Geldbörse und übergab dem verdutzten Siggi Scheid zehn DM.
Danach kehrte Sepp Maier zu seinem Jaguar auf den Parkplatz zurück und entschwand mit seinem Manager Rainer Bley in die Ferne, um sich auf seinen langen Rückweg nach München zu machen.
Zurück ließ er hunderte begeisterte Fans, die sich aller sehr gefreut hatten, ihr gutgelauntes und sympathisches Idol einmal hautnah und zum Angreifen erlebt zu haben.
Der in der Bevölkerung sehr beliebte Sepp Maier musste leider zwei Jahre später im Alter von 35 Jahren seine Karriere nach einem Verkehrsunfall beenden.
In 14 Jahren als Bundesligaspieler beim FC Bayern München hat er bis dahin nur an drei Spieltagen der Saison 1965/66 gefehlt. Seine 442 in Serie absolvierten Erstligaspiele, von insgesamt 473, bedeuten bis heute Weltrekord.
Nach seinem Karriereende als Torwart wurde Sepp Maier von 1994 bis 2008 Torwarttrainer beim FC Bayern München, von 1988 bis 2004 übte er diese Tätigkeit auch bei der deutschen Nationalmannschaft aus, mit der er als Trainer 1990 nochmals Weltmeister und 1996 Europameister wurde.
Mit dem Geld aus der Berufsunfähigkeitsversicherung kaufte sich Maier im Anschluss an seine Fußballerkarriere einen Tennispark, mit dem er laut eigener Aussage "mehr verdiente als während seiner aktiven Zeit als Fußballspieler!"
Den Tennispark „Sepp Maier“ in Anzing gibt es heute noch, er wird allerdings seit 2014 nicht mehr von Maier selbst sondern von einem Investor betrieben, der die Anlage gekauft hat.
Nach seinem Rückzug aus dem Fußballsport, betätigte sich Sepp Maier auch weiterhin erfolgreich als Tennisspieler, aber auch als Golfer.
Auch in seiner zweiten Karriere in der Tennis-Bundesliga war er überaus erfolgreich. So wurde er mit dem TC Hasenbergl gleich viermal Deutscher Mannschaftsmeister der Jungsenioren… was für ein großer Sportsmann.
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Aufgrund des großen Interesses an der Reihe „Anno dazumal in Mandelbachtal“ werden alle bisher von Manfred Pfeiffer veröffentlichten Geschichten (und auch noch einige weitere) im Herbst diesen Jahres als gebundenes Buch erscheinen. Freuen Sie sich schon darauf.
Text: Manfred Pfeiffer
Fotos: Schetting / Saarbrücker Zeitung 1977